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Grundlagen Arbeit­nehmer­erfinderrecht

In sachlicher Hinsicht ist das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen nur auf Erfindungen und technische Verbesserungsvorschläge anwendbar. Erfindungen in diesem Sinne sind technische Neuerungen, die patent- oder gebrauchsmusterschutzfähig sind. Technische Verbesserungsvorschläge sind dagegen Neuerungen, die nicht schutzfähig sind. Nicht zu den technischen Verbesserungsvorschlägen zählen kaufmännische, wirtschaftliche, organisatorische oder werbemäßige Ideen.

In den persönlichen Geltungsbereich des Arbeitnehmererfindungsgesetzes fallen unproblematisch sämtliche Arbeitnehmer i.S. des Arbeitsrechts, § 1 ArbEG. Bei arbeitnehmerähnlichen Personen ist die Anwendbarkeit umstritten. Nach allgemeiner Meinung ist sie jedenfalls bei freien Mitarbeitern und Handelsvertretern nicht gegeben. Gleiches gilt bei gesetzlichen Vertretern juristischer Personen, wie z.B. Geschäftsführern oder Vorständen. sowie bei Gesellschaftern. Allerdings können sich in diesen Fällen Regelungen zur Behandlung von Erfindungen aus den vertraglichen Beziehungen der Beteiligten ergeben, wie z.B. dem Dienst- oder Gesellschaftsvertrag. Denkbar ist auch eine stillschweigende Behandlung entsprechend einer Arbeitnehmererfindung. Für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst gelten besondere Regelungen.

Das Arbeitnehmererfindungsgesetz gilt grundsätzlich in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Sofern die Erfindung einen Auslandsbezug aufweist, z.B. wenn sie während des Einsatzes in einem Unternehmen bzw. Unternehmensteil im Ausland gemacht wurde, ist eine Einzelfallprüfung erforderlich, bei der insbesondere das anwendbare Recht festzustellen ist.

Das Arbeitnehmererfindergesetz berechtigt und verpflichtet in erster Linie den Erfinder bzw. Miterfinder einer patent- und/oder gebrauchsmusterfähigen Erfindung. Verbesserungsvorschläge werden nur am Rande behandelt, indem in § 20 ArbEG eine sinngemäße Anwendung der Vergütungsbestimmungen nach §§ 9 – 12 ArbEG festgeschrieben wird.

Wer Erfinder im Sinne des Arbeitnehmererfindungsrechts ist, bestimmt sich nach den Regeln des Patentrechts. Danach ist Erfinder derjenige, dessen individuelle geistige Tätigkeit zu der Erfindung geführt hat. Miterfinder ist, wer zu einer gemeinschaftlichen Erfindung einen schöpferischen Beitrag geleistet hat.

Gemäß § 4 Abs. 2 ArbEG sind gebundene Erfindungen (Diensterfindungen) solche, die während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemacht werden und (1) aus der dem Arbeitnehmer im Betrieb oder in der öffentlichen Verwaltung obliegenden Tätigkeit entstanden sind oder (2) maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebes oder der öffentlichen Verwaltung beruhen.

Der danach maßgebliche Bezug zu dem Arbeitsverhältnis ist im Allgemeinen eher weit zu fassen. Unerheblich ist deshalb etwa, ob die Erfindungen an der Arbeitsstätte oder in der regulären Arbeitszeit gemacht wurden. Auch Erfindungen, die beispielsweise in der Freizeit und unter Einsatz eigener Mittel gemacht werden, können Diensterfindungen sein, auf die der Arbeitgeber nach den Regeln des Arbeitnehmererfindungsgesetz zugreifen kann.

Alle sonstigen Erfindungen, die nicht Diensterfindungen sind, sind gemäß § 4 Abs. 3 ArbEG freie Erfindungen. Bei freien Erfindungen hat der Arbeitgeber keinen Anspruch auf eine Übertragung der Rechte an der Erfindung. Der Arbeitnehmer kann über die Rechte an einer freien Erfindung daher grundsätzlich frei verfügen. Er hat lediglich die Beschränkungen der §§ 18 und 19 ArbEG zu beachten, was bedeutet, dass ihm Mitteilungs- und Anbietungspflichten gegenüber dem Arbeitgeber obliegen.

Wichtigste Pflicht des Arbeitnehmers ist die unverzügliche Meldung einer Diensterfindung in Textform, § 5 ArbEG.

In der Meldung hat der Arbeitnehmer die technische Aufgabe, ihre Lösung und das Zustandekommen der Diensterfindung zu beschreiben, § 5 Abs. 2 ArbEG.

Für die Erfindungsmeldung gibt es in Unternehmen mit gut organisiertem Erfindungswesen in der Regel Formblätter, die eine Vielzahl typischerweise relevanter Fragen vorsehen. Im Allgemeinen ist es für den Arbeitnehmer empfehlenswert, von diesen Formblättern Gebrauch zu machen.

Nach dem neuen Recht gilt für Diensterfindungen, die seit dem 01.10.2009 gemeldet wurden, gemäß § 6 ArbEG das Folgende:

Sofern der Arbeitgeber bis zum Ablauf von vier Monaten nach Eingang der ordnungsgemäßen Erfindungsmeldung gegenüber dem Arbeitnehmer nicht in Textform erklärt, dass er die Erfindung freigibt, gilt sie als in Anspruch genommen, § 6 Abs. 2 ArbEG. Wirkung der Inanspruchnahme ist der Übergang aller vermögenswerten Rechte an der Erfindung auf den Arbeitgeber, § 7 Abs. 1 ArbEG.

Frei wird eine Diensterfindung also nur noch dann, wenn der Arbeitgeber eine solche Freigabe in Textform erklärt.

Nach dem alten Recht, das auf Diensterfindungen anzuwenden ist, die bis zum 30.09.2009 gemeldet wurden, bestand dagegen keine Inanspruchnahmefiktion. Stattdessen musste der Arbeitgeber die Inanspruchnahme innerhalb einer Frist von spätestens vier Monaten nach Eingang der ordnungsgemäßen Meldung schriftlich gegenüber dem Arbeitnehmer erklären, § 6 Abs. 2 a.F. ArbEG.

Wesentliche Pflicht des Arbeitgebers nach Inanspruchnahme ist es, die gemeldete Diensterfindung zur Erteilung eines Schutzrechts (d.h. eines Patents oder Gebrauchsmusters) in Deutschland anzumelden, § 13 ArbEG (Anmeldepflicht im Inland).

Schutzrechtsanmeldungen im Ausland ist der Arbeitgeber berechtigt vorzunehmen, § 14 Abs. 1 ArbEG. Will er Auslandsschutzrechte nicht erwerben, hat er dem Arbeitnehmer die Diensterfindung freizugeben und ihm auf Verlangen den Erwerb eigener Auslandsschutzrechte zu ermöglichen, § 14 Abs. 2 ArbEG. Der Arbeitgeber hat in diesem Fall die Möglichkeit, sich ein nicht ausschließliches Benutzungsrecht in den jeweiligen ausländischen Staaten vorzubehalten, § 14 Abs. 3 ArbEG.

In der Praxis „kaufen“ Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern die Pflicht zur Schutzrechtsfreigabe bei Nichtanmeldung von Schutzrechten im Ausland häufig „ab“, indem sie dem Arbeitnehmer eine Pauschalsumme von im Regelfall maximal einigen Tausend Euro bezahlen und der Arbeitnehmer dafür auf seine Rechte aus § 14 Abs. 2 ArbEG verzichtet (ähnlich wird im Hinblick auf § 16 Abs. 1 ArbEG verfahren).

Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über das Verfahren regelmäßig zu unterrichten und ihm Abschriften der Schutzrechtsanmeldeunterlagen zu geben, § 15 Abs. 1 ArbEG. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den Arbeitgeber auf Verlangen zu unterstützen und die erforderlichen Erklärungen abzugeben, § 15 Abs. 2 ArbEG.

Bei der Berechnung der Erfindervergütung gilt der Grundsatz, dass der Arbeitnehmer an allen wirtschaftlichen Vorteilen zu beteiligen ist, die seinem Arbeitgeber aus der Diensterfindung zufließen.

Eine Vergütung erhält der Arbeitnehmererfinder daher grundsätzlich erst dann, wenn der Arbeitgeber die Benutzung der Erfindung tatsächlich aufgenommen hat. Dies setzt nicht zwangsläufig eine betriebliche Eigennutzung voraus, vergütungspflichtig sind jedwede Verwertungshandlungen, wie z.B. Lizenzvergabe innerhalb eines Konzerns oder an Dritte oder Nutzung als Vorrats- bzw. Sperrpatent.

Gemäß § 9 Abs. 2 ArbEG sind für die Bemessung der Erfindervergütung insbesondere die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Diensterfindung, die Aufgaben und die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb sowie der Anteil des Betriebes an dem Zustandekommen der Diensterfindung maßgebend.

Im Einzelnen hat die Vergütungsbemessung anhand der Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst zu erfolgen ein knockout-post.

Die Erfindervergütung (V) berechnet sich danach als Produkt von Erfindungswert (E) und Anteilsfaktor (A):

V = E × A.

Hauptmethode zur Berechnung des Erfindungswerts (E) ist die Lizenzanalogie. Danach wird in Anlehnung an den freien Lizenzverkehr der Erfindungswert durch Multiplikation des Umsatzes, den der Arbeitgeber mit dem erfindungsgemäßen Gegenstand erzielt, mit einem marktüblichen Lizenzsatz für die zu vergütende Erfindung ermittelt.

Problematisch sind bei Anwendung der Lizenzanalogie regelmäßig die folgenden Punkte:

– Der im Einzelfall marktübliche Lizenzsatz lässt sich häufig nicht oder nur schätzweise ermitteln.

– Sind in einem komplexen Erzeugnis eine Vielzahl von Erfindungen implementiert, wie z.B. in einem Mobiltelefon, in dem hunderte bis tausende geschützte Erfindungen verwirklicht sind, fragt sich, wie diese Vielzahl an Erfindungen bei der Vergütungsbemessung und insbesondere der Bestimmung des Lizenzsatzes zu berücksichtigen ist.

– Wird die Erfindung in einem Konzern neben dem rechtlich formalen Arbeitgeber des Erfinders auch durch andere konzernangehörigen Unternehmen genutzt, fragt sich, ob und ggf. wie die Umsätze, die die konzernangehörigen Unternehmen mit der Erfindung erzielt haben, zu berücksichtigen sind.

– Wird der feststellbare Umsatz mit einem komplexen Erzeugnis erzielt, bei dem die zu vergütende Erfindung nur in einem (ggf. untergeordneten) Einzelteil des komplexen Erzeugnisses verwirklicht ist, fragt sich, ob auf den Umsatz des komplexen Erzeugnisses oder auf den Wert des Einzelteils abzustellen ist.

– Werden mit der Erfindung besonders hohe Umsätze erzielt, sind diese ggf. abzustaffeln (Richtlinie Nr. 11).

Mit dem Anteilsfaktor (A) wird berücksichtigt, welchen Anteil der Arbeitgeber an dem Zustandekommen und der Verwertung der Erfindung hat. Der Anteilsfaktor hat daher immer einen Wert < 1. Er wirkt für den Arbeitnehmer damit vergütungsmindernd. Die Höhe des Anteilsfaktors bestimmt sich aus den drei Teilfaktoren Stellung der Aufgabe (1), Lösung der Aufgabe (2) und Aufgaben und Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb (3). Einzelheiten hierzu finden sich in den Richtlinien zur Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst, Richtlinien Nr. 30-38.

Gemäß § 12 Abs. 1 ArbEG soll die Art und Höhe der Vergütung für die Erfindung grundsätzlich in angemessener Frist durch Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer festgestellt werden. Für die Vereinbarung ist keine Form vorgeschrieben. Eine entsprechende Vereinbarung kann daher auch mündlich oder stillschweigend durch übereinstimmendes Verhalten der Parteien geschlossen werden.

Kommt eine Vergütungsvereinbarung zwischen den Parteien nicht zustande, hat der Arbeitgeber die Vergütung spätestens bis zum Ablauf von drei Monaten nach Erteilung des Schutzrechts einseitig festzusetzen, § 12 Abs. 3 ArbEG. Dieser Festsetzung kann der Arbeitnehmer innerhalb einer Frist von zwei Monaten in Textform widersprechen, § 12 Abs. 4 ArbEG. Tut er dies nicht, wird die Festsetzung für beide Parteien verbindlich.

Arbeitnehmer wie Arbeitgeber können sich auf die Unbilligkeit einer Vergütungsvereinbarung oder -festsetzung berufen. Unbillige Vereinbarungen und Festsetzungen sind nach § 23 Abs. 1 ArbEG unwirksam. Allerdings muss die Berufung auf Unbilligkeit spätestens bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und durch Erklärung in Textform erfolgen, § 23 Abs. 2 ArbEG.

Dabei ist erhebliche Unbilligkeit im Regelfall dann anzunehmen, sobald die anhand der Vergütungsrichtlinien korrekt bemessene Vergütung die tatsächlich gezahlte Vergütung um das Doppelte über- oder unterschreitet.

Gemäß § 37 Abs. 1 ArbEG ist Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage vor einem ordentlichen (Zivil-)Gericht grundsätzlich, dass vorher ein Verfahren vor der bei dem Deutschen Patent- und Markenamt eingerichteten Schiedsstelle nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz durchgeführt wurde.

Allerdings gibt es gemäß § 37 Abs. 2 ArbEG von diesem Grundsatz bedeutende Ausnahmen. Kein Schiedsverfahren ist demnach u.a. erforderlich, wenn (1) in der Vergangenheit bereits eine Vergütungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen wurde und darüber nun Streit zwischen den Parteien besteht oder (2) der Arbeitnehmer aus dem Betrieb des Arbeitgebers zwischenzeitlich ausgeschieden ist.

Bei den ordentlichen Gerichten sind für Streitigkeiten aus dem Arbeitnehmererfindergesetz spezialisierte Zivilkammern bei bestimmten Landgerichten zuständig. In Bayern liegt die Zuständigkeit beim Landgericht München I sowie beim Landgericht Nürnberg-Fürth, in Baden-Württemberg ist das Landgericht Mannheim und in Nordrhein-Westfalen das Landgericht Düsseldorf ausschließlich zuständig.

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Wichtige Rechtsgrundlagen zum Arbeitnehmererfinderrecht sind nachfolgend mitsamt Links zu Volltexten zusammengestellt:

ArbEG – Gesetz über Arbeitnehmererfindungen

Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst vom 20. Juli 1959 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 156 vom 18. August 1959) geändert durch die Richtlinie vom 1. September 1983 (Bundesanzeiger Nr. 169, S. 9994)

Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im öffentlichen Dienst

ArbnErfGDV 2 – Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen

EPÜ – Europäisches Patentübereinkommen („Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente“) vom 5. Oktober 1973 (BGBl. 1976 II S. 826)
 

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