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Bedeutung der Scala-Entscheidung des OLG Stuttgart für die Kündigungen von Bausparverträgen

Obiter Dictum des 9. Zivilsenats zu Bausparfällen

Nach dem Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23.09.2015 in Sachen Scala I (OLG Stuttgart 9 U 31/15, LG Ulm 4 O 273/13) drängt sich die Frage auf, ob dessen Scala-Entscheidung für die von diversen Bausparkassen in zwischenzeitlich mehreren hunderttausend Fällen ausgesprochenen Kündigungen von Bausparverträgen von Bedeutung sein kann (vgl. dazu zwei Beiträge, die aufgrund der mündlichen Ausführungen des Vorsitzenden Richters Wetzel in der Verhandlung vom 23.09.2015, mithin vor Ausfertigung der vollständigen Urteilsbegründung des OLG Stuttgart, veröffentlicht wurden: Elisabeth Atzler in Handelsblatt vom 28.09.2015, „Ein Urteil mit Signalwirkung, Warum die Scala-Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart klagenden Bausparern Rückenwind verschafft.“; Isabel Gomez in Börsenzeitung vom 30.09.2015, „Warum das Scala-Urteil auch für Bausparkassen relevant ist“).

In dem seit wenigen Tagen vorliegenden vollständigen Urteil äußert sich der Senat zu dieser Frage in einem obiter dictum dahingehend, dass die Frage in dem Scala-Urteil keiner Entscheidung bedürfe und die Scala-Sparverträge mit Bausparverträgen, die aus der Rechtsnatur des Bausparens Besonderheiten aufwiesen, ohnehin nicht vergleichbar seien (BU 31, Abs. 2).

Der Senat hält sich also – zumindest – die Möglichkeit zu einer abweichenden Entscheidung bei den Bausparfällen offen.

Andererseits dürfte die von dem Senat zur teleologischen Reduktion des § 489 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbs. BGB gegebene Begründung in weiten Teilen auf die in vielen Bausparfällen (mit) streitentscheidende Vorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB übertragbar sein.

Dies gilt schon für die zentrale, denkbar weite Aussage des Senats, wonach die Begründung des Gesetzentwurfs zur Vorgängerbestimmung des § 489 Abs. 1 Nr. 1 BGB, nämlich des § 609a Abs. 1 Nr. BGB a.F., ausschließlich auf das Aktivgeschäft der Banken abziele, auf deren Passivgeschäft jedoch nicht anwendbar sei (BU 30, Abs. 2 am Ende; siehe dazu BT-Drs. 10/4741, S. 20 f. – auf diese Passage aus dem Gesetzentwurf stützt sich der Senat). Wenn der Gesetzgeber bei dem Gesetzgebungsvorhaben nicht im Blick gehabt haben mag, dass Banken bei ihren Passivgeschäften in der Rolle des Kreditnehmers sind, so hat er dabei sicher auch nicht an Bausparkassen gedacht.

Ferner passt auch das zweite tragende Argument des Senats auf die Bausparfälle. Denn auch dort liegen die Verhältnisse zweifellos so, dass es bei Vertragsabschluss die Bausparkasse war, die die Vertragsbedingungen einseitig vorgegeben hat, mithin entsprechende Rechtsmacht hatte, um einen für sich günstigeren Vertrag zu schließen, und insoweit als nicht-schutzwürdig anzusehen ist (vgl. BU 30 Abs. 3).

Zusammengenommen dürfte das Scala-Urteil des OLG Stuttgart für die gekündigten Bausparer also sicher sehr hilfreich sein, der entscheidende Wurf ist es aber noch nicht. Noch dazu wird über die aufgeworfenen Fragen irgendwann wohl der Bundesgerichtshof entscheiden müssen. Die Frage ist nur wann, schon zu Scala, oder erst, wenn der erste Bausparfall dorthin gelangt?