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Urteil des Bundesgerichtshofs zur Kündigung langlaufender Sparverträge der Sparkasse Stendal – Schlussfolgerungen mit Blick auf die Scala-Sparverträge der Sparkasse Ulm

Der Bundesgerichtshof hat heute Nachmittag entschieden, dass die Kündigung langlaufender Sparverträge „S-Prämiensparen flexibel“ der Sparkasse Stendal nach Erreichen der höchsten Prämienstufe wirksam ist. Zu dem Urteil liegt – abgesehen von einer Vielzahl von Medienberichten – seitens des Bundesgerichtshofs bislang nur eine Pressemitteilung vor, die hier verlinkt ist. Die Ausfertigung und Veröffentlichung des Urteils wird noch einige Zeit dauern.

Der von dem Bundesgerichtshof entschiedene Rechtsstreit weist auf den ersten Blick eine Vielzahl von Parallelen zu den Rechtsstreiten um die Scala-Verträge der Sparkasse Ulm auf. Da ich, Rechtsanwalt Christoph Lang, die Scala-Rechtsstreite für eine Vielzahl von Sparern gegen die Sparkasse Ulm geführt habe (alle Verfahren endeten im Februar 2016 mit einem Vergleich, siehe dazu Post vom 05.02.2016) und die Scala-Verträge zum Teil noch viele Jahre laufen werden (die vorgesehenen Mindestvertragslaufzeiten der noch längst laufenden Verträge enden erst im Jahr 2030), möchte ich zu den (vermeintlichen?) Parallelen wie auch (vermeintlichen?) Unterschieden zwischen dem Ulmer und dem Stendaler Fall kurz Stellung nehmen:

  1. Vorweg ist zu betonen, dass der Vergleich von Rechtsstreiten bzw. der sie entscheidenden Urteile fast immer mit mehr oder weniger erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. In dem heute entschiedenen BGH-Fall dürfte es allem Anschein nach maßgeblich auf die Auslegung der vertraglichen Abreden angekommen sein, die die Vertragsparteien, d.h. die Sparer und die jeweilige Sparkasse, bei Abschluss der Sparverträge getroffen haben. Diese Abreden genau zu analysieren und mit dem Ulmer Scala-Fall zu vergleichen wäre voraussichtlich nur möglich, wenn man vollständige Kenntnis der Gerichtsakten beider Verfahren hätte. Zumindest die vollständigen Urteile des Bundesgerichtshofs und der vorinstanzlichen Gerichte wären erforderlich, um solide Schlussfolgerungen ziehen zu können. Freilich liegt das Urteil des Bundesgerichtshofs derzeit noch gar nicht vor, nur die genannte Pressemitteilung. Die nachfolgenden weiteren Ausführungen sind daher teilweise unsicher und spekulativ.
  2. Die Sparverträge „S-Scala Ulm“ und „S-Prämiensparen flexibel“ weisen – soweit bekannt – die folgenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf: Beide Verträge verfügen über eine Prämienstaffel, die dem Sparer einen besonderen Prämienanreiz für langjähriges Sparen bieten soll. Nach dem Stendaler Prämienmodell dauert es 15 Jahre bis man die höchste Prämienstufe erreicht, bei dem Ulmer Scala-Vertrag sind es 20 Jahre. Völlig unterschiedlich ist die Prämiengestaltung: Nach dem Stendaler Vertrag erhält der Sparer in der höchsten Stufe eine Prämie von 50% der jährlich geleisteten Sparbeiträge, nach dem Ulmer Scala-Vertrag sind es feststehende Zinsen in absoluten Zahlen, nämlich in den letzten fünf Jahren der vorgesehenen 25-jährigen Mindestvertragslaufzeit 3,5% (Bonus)Zinsen auf das dann angesparte Sparguthaben. Ob und ggf. inwiefern es dem Sparer bei dem Stendaler Vertrag möglich ist, seine monatliche Sparrate zu variieren, ist mir derzeit nicht bekannt. Bei dem Scala-Vertrag ist dies nach der nicht rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23.09.2015 in einer Marge zwischen € 25,- und € 2.500,- möglich und der entscheidende Faktor, warum die Ulmer Scala-Verträge für die Sparer heute so außerordentlich attraktive Geldanlagen sind.
  3. Nach der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs scheint der Senat seine Entscheidung maßgeblich auf eine Auslegung der Vertragsantragsformulare gestützt zu haben, die zum Abschluss der Stendaler Verträge verwendet worden sind. Die parallel zu den Verträgen vorgelegten Werbeprospekte hat er ausdrücklich als nicht vertragsbestimmend angesehen, weil es sich dabei lediglich um werbende Anpreisungen handele, denen ein durchschnittlicher Sparer eine Änderung oder Erweiterung der wechselseitigen Ansprüche und der aus dem Sparvertrag folgenden Rechte, Pflichten und Obliegenheiten nicht entnehmen könne.
  4. Dagegen kam es in den Ulmer Scala-Rechtsstreiten nach den übereinstimmenden Entscheidungen des Landgerichts Ulm und des Oberlandesgerichts Stuttgart sogar ganz entscheidend auf die Angaben an, die die Sparkasse Ulm in ergänzenden Dokumenten zu den Scala-Verträgen außerhalb der eigentlichen Vertragsabschlussdokumente gemacht hat. In den Ulmer Fällen musste auf den Werbeflyer und die in den Scala-Sparbüchern auf der letzten Seite eingeklebten Vermerke nämlich schon deshalb zurückgegriffen werden, weil in dem Kontoeröffnungsformular (=Vertragsabschlussdokument), das von dem Sparer und der Sparkasse Ulm unterschrieben wurde, praktisch keinerlei Scala-spezifische Vertragskonditionen genannt waren. In der Regel wurde dort lediglich vermerkt, dass es sich um einen Scala-Vertrag handelt, der eröffnet werden soll, ohne im Geringsten zu bestimmen, was denn ein Scala-Vertrag sein soll? Ein Beispiel eines solchen Kontoeröffnungsdokumentes haben wir unter „Downloads – Wichtige Dokumente aus den diversen Scala-Streitsachen“ zur vollständigen Nachvollziehbarkeit vorgelegt.
  5. Soweit sich aus der heutigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergibt, dass die Bank einen unbefristet laufenden Sparvertrag jederzeit kündigen kann – freilich vorausgesetzt, die Mindestvertragslaufzeit ist abgelaufen, sofern eine solche vereinbart wurde (?), s.o. Ziff. 3, 4 zur Vertragsauslegung – ist dies geradezu eine Selbstverständlichkeit, die sich regelmäßig aus mehreren Rechtsgrundlagen ergeben wird. Im Stendaler Fall haben sich die Gerichte anscheinend in erster Linie auf die AGB der Sparkassen gestützt, dort Nr. 26. Die gleiche Rechtsfolge ergibt sich aus § 488 Abs. 3 BGB. Wie sollte es auch anders sein? Ein unbefristet laufender Darlehensvertrag muss natürlich für beide Seiten (jederzeit) kündbar sein. Natürlich war diese Prämisse auch in den Ulmer Streitfällen zu keinem Zeitpunkt streitig. Dort war vielmehr eine teleologische Reduktion des § 489 BGB streitentscheidend (siehe Urteil des OLG Stuttgart vom 23.09.2015, S. 28-31).
  6. Fazit: Es ist derzeit noch völlig offen, ob die heutige Entscheidung des Bundesgerichtshofs eher dafür spricht oder eher dagegen spricht, dass auch die Sparkasse Ulm die vielen Tausend noch laufenden Scala-Verträge kündigen könnte und/oder ob die nicht rechtskräftig gewordenen Urteile des Landgerichts Ulm und des Oberlandesgerichts Stuttgart, die in Sachen „Scala“ ergangen sind, als „überholt“ bzw. „falsch“ zu gelten haben. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass sich aus der Entscheidung des BGH nahezu keine belastbaren Erkenntnisse für den Ulmer Fall ergeben. Ehe weitere Schlussfolgerungen verlässlich gezogen werden können, müssen zunächst (mindestens) die Entscheidungsgründe zu dem heutigen Urteil des Bundesgerichtshofs abgewartet werden. Kein Grund zur Sorge dürfte dagegen für alle jene Scala-Sparer bestehen, die seit dem Ende der hiesigen Scala-Rechtsstreite „gut gemachte“ Vergleiche mit der Sparkasse Ulm abgeschlossen haben. Wenn in diesen Vergleichen alle in der Vergangenheit bekannten Streitpunkte umfassend und klar geregelt worden sind, dürfte kein Raum für weitere Diskussionen bestehen.



Abschluss von Vergleichen in Sachen Scala – Beendigung aller Rechtsstreite

Alle von der IP-Kanzlei Lang vertretenen Mandantinnen und Mandanten haben am gestrigen Donnerstag, den 04.02.2016, mit der Sparkasse Ulm die gütliche Beilegung ihrer Scala-Streitsachen vereinbart. Die entsprechenden Vergleichsvereinbarungen, auf die sich die Parteien außergerichtlich, d.h. nicht-öffentlich und ohne Mitwirkung der befassten Gerichte verständigt haben, wurden gestern durch Rechtsanwalt Christoph Lang und den Vorstand der Sparkasse Ulm unterzeichnet. 

In den getroffenen Vergleichen haben sich die Parteien verpflichtet, die vor Gericht anhängigen Rechtsstreite für erledigt zu erklären. Prozessuale Folge dieser Erledigungserklärungen ist, dass alle bereits ergangenen Scala-Urteile des Landgerichts Ulm sowie des Oberlandesgerichts Stuttgart wirkungslos werden. An ihre Stelle treten die geschlossenen Vergleichsvereinbarungen. 

Über den weiteren Inhalt der Vergleichsvereinbarungen haben die Parteien umfassendes Stillschweigen vereinbart. Nähere Informationen zu Einzelheiten der gefundenen Vergleichslösungen können wir daher nicht öffentlich machen. 

Die nun erreichten Vergleichsabschlüsse sind das Ergebnis intensiver, vier Monate andauernder Gespräche, die von Anfang an durch eine sehr faire und lösungsorientierte Atmosphäre zwischen den Beteiligten geprägt waren. Die lange Dauer der Gespräche war dabei allein der Tatsache geschuldet, dass die zu klärenden Streitfragen bzw. deren Lösungen sowohl in rechtlicher Hinsicht als auch in ihrer praktischen Umsetzung außerordentlich komplex sind und auf beiden Seiten mit einer Vielzahl von Personen abzustimmen waren. 

Ausgehend von einer genauen Analyse der sehr günstigen prozessualen Lage nach dem vollständigen Obsiegen in allen bisherigen Rechtsstreiten und Instanzen einerseits und den nach wie vor bestehenden Prozessrisiken im Falle eines Fortgangs der Scala-Rechtsstreite andererseits haben unsere Mandantinnen und Mandanten – jeder für sich – innerhalb kurzer Bedenkzeit übereinstimmend entschieden, dass sie die erarbeiteten Vergleichslösungen annehmen wollen. 

Wir, die Anwälte der IP-Kanzlei Lang sind froh, dass die ca. drei Jahre dauernden Scala-Streitigkeiten damit einvernehmlich beigelegt werden konnten.




Bedeutung der Scala-Entscheidung des OLG Stuttgart für die Kündigungen von Bausparverträgen

Obiter Dictum des 9. Zivilsenats zu Bausparfällen

Nach dem Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23.09.2015 in Sachen Scala I (OLG Stuttgart 9 U 31/15, LG Ulm 4 O 273/13) drängt sich die Frage auf, ob dessen Scala-Entscheidung für die von diversen Bausparkassen in zwischenzeitlich mehreren hunderttausend Fällen ausgesprochenen Kündigungen von Bausparverträgen von Bedeutung sein kann (vgl. dazu zwei Beiträge, die aufgrund der mündlichen Ausführungen des Vorsitzenden Richters Wetzel in der Verhandlung vom 23.09.2015, mithin vor Ausfertigung der vollständigen Urteilsbegründung des OLG Stuttgart, veröffentlicht wurden: Elisabeth Atzler in Handelsblatt vom 28.09.2015, „Ein Urteil mit Signalwirkung, Warum die Scala-Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart klagenden Bausparern Rückenwind verschafft.“; Isabel Gomez in Börsenzeitung vom 30.09.2015, „Warum das Scala-Urteil auch für Bausparkassen relevant ist“).

In dem seit wenigen Tagen vorliegenden vollständigen Urteil äußert sich der Senat zu dieser Frage in einem obiter dictum dahingehend, dass die Frage in dem Scala-Urteil keiner Entscheidung bedürfe und die Scala-Sparverträge mit Bausparverträgen, die aus der Rechtsnatur des Bausparens Besonderheiten aufwiesen, ohnehin nicht vergleichbar seien (BU 31, Abs. 2).

Der Senat hält sich also – zumindest – die Möglichkeit zu einer abweichenden Entscheidung bei den Bausparfällen offen.

Andererseits dürfte die von dem Senat zur teleologischen Reduktion des § 489 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbs. BGB gegebene Begründung in weiten Teilen auf die in vielen Bausparfällen (mit) streitentscheidende Vorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB übertragbar sein.

Dies gilt schon für die zentrale, denkbar weite Aussage des Senats, wonach die Begründung des Gesetzentwurfs zur Vorgängerbestimmung des § 489 Abs. 1 Nr. 1 BGB, nämlich des § 609a Abs. 1 Nr. BGB a.F., ausschließlich auf das Aktivgeschäft der Banken abziele, auf deren Passivgeschäft jedoch nicht anwendbar sei (BU 30, Abs. 2 am Ende; siehe dazu BT-Drs. 10/4741, S. 20 f. – auf diese Passage aus dem Gesetzentwurf stützt sich der Senat). Wenn der Gesetzgeber bei dem Gesetzgebungsvorhaben nicht im Blick gehabt haben mag, dass Banken bei ihren Passivgeschäften in der Rolle des Kreditnehmers sind, so hat er dabei sicher auch nicht an Bausparkassen gedacht.

Ferner passt auch das zweite tragende Argument des Senats auf die Bausparfälle. Denn auch dort liegen die Verhältnisse zweifellos so, dass es bei Vertragsabschluss die Bausparkasse war, die die Vertragsbedingungen einseitig vorgegeben hat, mithin entsprechende Rechtsmacht hatte, um einen für sich günstigeren Vertrag zu schließen, und insoweit als nicht-schutzwürdig anzusehen ist (vgl. BU 30 Abs. 3).

Zusammengenommen dürfte das Scala-Urteil des OLG Stuttgart für die gekündigten Bausparer also sicher sehr hilfreich sein, der entscheidende Wurf ist es aber noch nicht. Noch dazu wird über die aufgeworfenen Fragen irgendwann wohl der Bundesgerichtshof entscheiden müssen. Die Frage ist nur wann, schon zu Scala, oder erst, wenn der erste Bausparfall dorthin gelangt?




Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart in Sachen Scala I

Das vollständig abgefasste Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart in Sachen Scala I (Az. OLG Stuttgart 9 U 31/15, LG Ulm 4 O 273/13) ist den Streitparteien zwischenzeitlich zugestellt worden.

Eine geschwärzte Abschrift des Urteils ist hier abrufbar.

Zur leichteren Lesbarkeit der zentralen Passagen des Urteils kann die folgende Gliederungsübersicht dienen:

Urteilstenor S. 2
A) Zusammenfassung der Entscheidung des LG Ulm und Anträge der Parteien S. 3-7
B) I. Zulässigkeit der Klagen S. 8-11
B) II. 1., 2. Ausführungen zur Frage der Ratenänderung sowie zum Vertragsschluss S. 11-25
B) II. 3. Ausführungen zur Kündigungsfrage insbesondere Ausführungen zur teleologischen Reduktion S. 28-31
B) III. 4. Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung und zur Störung der Geschäftsgrundlage S. 39-43



Fortgang der Scala-Rechtsstreite nach den ersten Urteilen des OLG Stuttgart

Soweit Stand heute absehbar, ist davon auszugehen, dass die Scala-Rechtsstreite wie folgt weitergehen:

1. Die vor dem Landgericht Ulm und Oberlandesgericht Stuttgart anhängigen Verfahren laufen grundsätzlich unverändert weiter. Jeder Sparer, der seine Rechte durchsetzen möchte, muss sie selbständig geltend machen.

2. Vor dem Landgericht Ulm sind die nächsten Verhandlungstermine auf Mittwoch, 11.11.2015, und Montag, 16.11.2015, bestimmt. Am 16.11.2015 sollen wieder zwei Umstellerklagen verhandelt werden, also Fälle des Typs, bei dem die Sparkasse in früheren Scala-Verfahren kurz vor den jeweiligen Verhandlungsterminen stets Anerkenntnisse erklärt hat, mit denen sie die geltend gemachten Ansprüche quasi „freiwillig“ zugestanden hat (so in Sachen Scala XI und Scala XII).

3. Zudem ist geplant, baldmöglichst erneut Gespräche über eine einvernehmliche Lösung zu führen. Wir, die IP-Kanzlei Lang, würden einen weiteren Versuch, zu einer Einigung zu kommen, jedenfalls sehr begrüßen. Im Gerichtssaal haben wir gestern mit den Vertretern der Sparkasse solche Gespräche dem Grunde nach bereits vereinbart. Bedingung ist dabei, dass (1) die Gespräche an der aktuellen prozessualen Lage orientiert sind und (2) Lösungen für alle unsere Mandanten gesucht werden, mithin für Nicht-Umsteller ebenso wie für Umsteller und Ratenaussetzer.

4. Parallel zu alledem wird abzuwarten sein, ob die Sparkasse gegen das in Sachen Scala I ergangene Urteil des Oberlandesgerichts die zur Kündigungsfrage zugelassene Revision sowie (ggf. zusätzlich in Bezug auf die anderen Streitfragen) Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof einlegen wird. Die von ihr für diese Rechtsmittel zu beachtende Frist beträgt einen Monat ab Zustellung des Berufungsurteils (wobei wir davon ausgehen, dass diese Zustellung in den nächsten 1-2 Wochen passieren wird).




Entscheidungen des OLG Stuttgart in Sachen Scala I und Scala V

Mit Urteilen vom 23.09.2015 hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart die Berufungen der Sparkasse Ulm in Sachen Scala I (LG Ulm 4 O 273/13; OLG Stuttgart 9 U 31/15) und Scala V (LG Ulm 4 O 379/13; OLG Stuttgart 9 U 48/15) zurückgewiesen. Damit haben die klagenden Scala-Sparer in allen Streitfragen, die in diesen Verfahren anhängig waren, in vollem Umfang obsiegt.

Die wesentlichen Ergebnisse der Urteile des Oberlandesgerichts sind zusammengefasst:

  1. Die Kläger haben das Recht ihre monatlichen Sparraten in der Marge zwischen € 25,- und € 2.500,- einseitig frei zu bestimmen.
  2. Die Sparkasse hat kein Recht, die Scala-Verträge vor Ablauf der jeweiligen 25-jährigen Mindestvertragslaufzeit ordentlich zu kündigen.
  3. Die Sparkasse hat keinen Anspruch auf Aufhebung oder Anpassung der Scala-Verträge aus sonstigen Gründen, wie insbesondere wegen Störung der Geschäftsgrundlage.

Die Streitfrage, wie die Sparkasse den variablen Zinsbestandteil zu berechnen hat, der neben dem festen Bonuszins weiteres Element des auf die Scala-Guthaben zu zahlenden Gesamtzinses ist, war nicht Gegenstand der Verfahren Scala I und Scala V. Das Oberlandesgericht hat zu dem Problem jedoch vorläufig, „ins Unreine gesprochen“ (so die Wortwahl des Vorsitzenden Richters Wetzel) dahingehend Stellung genommen, dass die ergänzende Vertragsauslegung, die das Landgericht Ulm in den Parallelrechtsstreiten hierzu vorgenommen hat, jedenfalls in seinen Grundzügen, d.h. betreffend die Beibehaltung eines gleichbleibenden relativen Abstandes zwischen Vertrags- und Referenzzins sowie die Wahl des im Streitfall einschlägigen konkreten Referenzzinses, zutreffend sein dürfte. Die Ausführungen des Senats erfolgten dabei vorsorglich mit Blick darauf, den Parteien eine bestmögliche Grundlage für eventuelle weitere Vergleichsverhandlungen zu geben.

Ergänzend verweisen wir auf die Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23.09.2015.




Sparkasse geht in Sachen Scala II, III, XI und XII in Berufung

Die Sparkasse hat nun auch in den Scala-Rechtsstreiten II, III, XI und XII (i.e. int. Nummerierung der IP-Kanzlei Lang), in denen die 4. Zivilkammer des Landgerichts Ulm am 07.08.2015 Urteile gesprochen hat, Berufung zum Oberlandesgericht Stuttgart eingelegt.

Die Verfahren werden unter den folgenden Aktenzeichen geführt:

  • Scala II: LG Ulm 4 O 377/13; OLG Stuttgart 9 U 161/15
  • Scala III: LG Ulm 4 O 378/13; OLG Stuttgart 9 U 163/15
  • Scala XI: LG Ulm 4 O 340/14; OLG Stuttgart 9 U 160/15
  • Scala XII: LG Ulm 4 O 376/14; OLG Stuttgart 9 U 162/15

Gegenüber den Rechtsstreiten, die am kommenden Mittwoch, den 23.09.2015, vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt werden (Verfahren Scala I und V), steht in den vorstehenden Streitsachen zusätzlich die Frage zur Entscheidung des Gerichts, wie der variable Grundzins zu berechnen ist, der neben dem Bonuszins zweiter Bestandteil des auf die Scala-Guthaben zu zahlenden Gesamtzinses ist.

Insgesamt hat die Sparkasse Ulm damit nun gegen alle Scala-Urteile, über die das Landgericht schon entschieden hat, Berufung zum Oberlandesgericht Stuttgart eingelegt – mit Ausnahme freilich der Teilanerkenntnisurteile, mit denen die Wiederherstellung von vier alten Scala-Verträgen nach Umstellung in Alternativ-Sparmodelle festgestellt wurde (insoweit ist eine Berufung von Rechts wegen generell ausgeschlossen).




Stellungnahme von Rechtsanwalt Lang zu dem Vergleichsvorschlag der Sparkasse Ulm vom 17.09.2015

1.         Wir, die Vertreter der Scala-Kläger begrüßen es sehr, wenn es stimmt, dass die Sparkasse Ulm die Scala-Rechtsstreite einvernehmlich lösen möchte. Dies war von Beginn an das Ziel, das die Kläger mit den erhobenen Klagen verfolgt haben. Seit dem Frühjahr 2013 wurden von uns daher immer wieder Einigungsversuche unternommen – öffentlich bekannte, wie öffentlich unbekannte -, auf die die Sparkasse bislang bedauerlicherweise nicht eingegangen ist. Hinzukommen die sehr aufwändigen Vergleichsverhandlungen, die die Kammer des Landgerichts Ulm im Frühjahr 2014 initiiert und teilweise mitgeführt hat. Auch die von der Kammer des Landgerichts selbst vorgeschlagenen Lösungen hat die Sparkasse zwei Mal, im Frühjahr 2014 sowie im Herbst 2014, abgelehnt. 

2.         Das nun vorliegende Einigungsangebot, das die Sparkasse nur den Klägern unterbreitet hat, für deren Klagen am kommenden Mittwoch, 23.09.2015, ein gemeinsamer Verhandlungstermin vor dem Oberlandesgericht Stuttgart terminiert ist (Verfahren Scala I und Scala V), werden wir sorgfältig prüfen und mit unseren Mandanten besprechen. 

3.         Bereits jetzt ist klar, dass es jedenfalls in der kurzen Zeit, die vor dem anstehenden Verhandlungstermin noch verbleibt, in dem Verfahren Scala I nicht mehr zu einem Vergleichsabschluss kommen wird. In dem Verfahren Scala V ist dies derzeit noch offen. 

4.         Vor dem Verhandlungstermin am kommenden Mittwoch werden wir über die vorliegende Erklärung hinaus nicht weiter öffentlich Stellung nehmen zu dem von der Sparkasse publik gemachten Vergleichsangebot.

Zu dessen Vorlage wurde die Sparkasse von dem zuständigen 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts aufgefordert, nachdem sie am 09.09.2015 durch ihren Pressesprecher verlauten ließ, dass „sie nach Stuttgart fahre, um sich zu einigen“ (SWP vom 09.09.2015, Lokalteil Ulm Neu-Ulm).

Wir gehen daher davon aus, dass uns der Senat Gelegenheit geben wird, zu dem Vergleichsangebot der Sparkasse in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen. Möglicherweise wird der Senat auch selbst die Möglichkeiten einer einvernehmlichen Lösung ausloten wollen.




Neues Vergleichsangebot der Sparkasse in Sachen Scala I und Scala V

Mit Faxschreiben vom 17.09.2015 hat die Sparkasse in den Rechtsstreiten Scala I (Az. OLG Stuttgart 9 U 31/15) und Scala V (Az. OLG Stuttgart 9 U 48/15) Vergleichsangebote unterbreitet. Weil die Sparkasse bestimmte Vertreter der Ulmer Presse darüber gestern sogleich unterrichtet hat, wurde heute schon in diversen Medien darüber berichtet (u.a. SWP, Schwäbische Zeitung). 

Die wesentlichen Bedingungen der Vergleichsangebote, die nur für die Kläger der vorstehend genannten Verfahren gelten, lauten zusammengefasst wie folgt: 

1.         Es wird festgestellt, dass die Sparkasse die Scala-Verträge der Kläger nicht vor Ablauf der 25-jährigen Mindestvertragslaufzeit ordentlich kündigen kann. 

2.         Die monatlichen Sparraten der Kläger werden auf die Höhe beschränkt, die ursprünglich, d.h. wohl bei Vertragsschluss (?), vereinbart wurde. 

3.         Das Sparguthaben wird ab sofort bis zum Ende der jeweiligen Laufzeit mit 3,5% p.a. verzinst. Darüber hinaus gibt es, insbesondere für die Vergangenheit, keine weiteren Zinszahlungen. 

4.         Verfügungen über das Sparguthaben sind wie beim alten Scala-Vertrag möglich (d.h. € 2.000,-/Monat, Beträge darüber mit dreimonatiger Kündigungsfrist). 

Zum weiteren Vorgehen und Fortgang der Verfahren Scala I und Scala V nimmt Rechtsanwalt Lang in separatem Post vom heutigen Tage Stellung.




Urteil des Landgerichts Ulm in Sachen Scala II

Das Urteil des Landgerichts Ulm in Sachen Scala II, Az. 4 O 377/13, vom 07.08.2015 wird hier in anonymisierter Form online gestellt.

Die von der Kammer darin gegebenen Entscheidungsgründe sind in weiten Passagen identisch mit den Entscheidungsgründen in den anderen Scala-Rechtsstreiten, über die die Kammer schon geurteilt hat, also in Sachen Scala I, III, V, XI und XII.

Das Urteil Scala II ist insofern umfassend, als mit ihm – abgesehen von der Frage der Wiederherstellung umgestellter Scala-Verträge – sämtliche Streitfragen abgehandelt werden, die sich in dem Scala-Streitkomplex insgesamt stellen. Dies betrifft insbesondere die Kündigungs-, Ratenerhöhungs- und Grundzinsfrage sowie sämtliche von der Sparkasse Ulm mit ihrer Widerklage geltend gemachten „Gegenansprüche“, mit denen sie die streitgegenständlichen Scala-Verträge in anderer Weise als durch Kündigung beenden will (wie insb. wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage), oder die Scala-Kläger einfach nur (erneut) unter Druck zu setzen versucht (wie insb. mit den Bereicherungsansprüchen wegen angeblich zu viel gezahlten Zinsen).

Mit der Frage der Wiederherstellung umgestellter Scala-Verträge hat sich die Kammer bislang inhaltlich nicht befassen können, weil die Sparkasse Ulm in allen Umstellerfällen, in denen das Landgericht Verhandlungstermine bestimmt hat, stets Anerkenntnisse erklärt und die Wiederherstellung der alten ursprünglichen Scala-Verträge damit quasi „freiwillig“ vorgenommen hat. Es werden von der IP-Kanzlei Lang derzeit aber für ca. zwei Dutzend weitere Kläger solche Umstellerklagen betrieben. In zwei dieser Verfahren sind Verhandlungstermine vor dem Landgericht Ulm auf den 16.11.2015 bestimmt.

Bei allen vor Gericht anhängigen Verfahren gilt aber immer: Alle erzielten Verfahrensergebnisse wirken ausschließlich und allein für die jeweiligen Kläger dieser Verfahren. Sie gelten nicht automatisch für alle anderen Scala-Kontoinhaber. Eine Übertragung der Verfahrensergebnisse auf Dritte kann nur die Sparkasse Ulm freiwillig erklären bzw. akzeptieren. Freilich sieht es nach dem derzeitigen Stand der Dinge danach nicht aus. Im Gegenteil: Die Sparkasse und ihre anwaltlichen Vertreter betonen regelmäßig, dass es sich bei allen Streitigkeiten um Einzelfälle handele, die rechtlich jeweils für sich zu beurteilen seien. Gut möglich, dass die Sparkasse von dieser Linie, die zwangsläufig zu einer Ungleichbehandlung ihrer Kunden führt, schon allein aus wirtschaftlichen Gründen auch zukünftig nicht abweichen wird.

Deshalb: Wer seine Rechte nicht verlieren will, wie etwa im Wege der Verjährung, etc., muss grundsätzlich selbst aktiv werden und seine Ansprüche außergerichtlich und ggf. gerichtlich gegen die Sparkasse Ulm geltend machen.